dritte Geburt

geplante Alleingeburt in Beckenendlage (BEL/ Steißlage)

Als ich wieder ungeplant schwanger wurde war ich überrascht und freute mich gleich. Ich war mir sicher, dieses mal lasse ich mich nicht verunsichern und folge meiner Intuition. Mein Mann wünschte sich eine Hebamme, Vier Wochen vor dem Geburtstermin kam sie zum ersten mal zum Gespräch und konnte meinen Weg mittragen. Beim nächsten Treffen in der 35. SSW stellte sie fest, dass das Kind noch in Beckenendlage (Po liegt im Becken) liegen würde. Sie sagte schmunzelnd, dass ich mal ein "ernstes Wörtchen mit dem Baby reden sollte".  Nach drei Tagen rief ich sie an und fragte, was denn in dem Fall wäre, wenn es sich nicht mehr drehen würde? Dann könne es keine Hausgeburt werden und sie würde mich in die Klinik schicken. Ich las mir den zu unterschreibenden Behandlungsvertrag durch. Ich würde tatsächlich meine Entscheidungsmacht an die Hebamme per Unterschrift abgeben, weil sie das Haftungsrisiko übernimmt. Für mich soll aber niemand haften! Ich möchte mitentscheiden können, was mit mir passiert. Angenommen das Kind wäre in einer für eine Hausgeburt notwendigen Schädellage (Kopf voran) und würde sich unter den Wehen noch mal drehen, müsste sie eine Verlegung veranlassen, wenn ich nicht von allein in die Klinik fahre, müsste sie den Notarzt rufen und ich hätte mich mit dem auseinanderzusetzten. Das war nicht das, was ich mir unter einen Geburt in einer vertrauensvollen Umgebung vorstellte. Ich entschloss mich keinen Behandlungsvertrag zu unterschreiben und versuchte eine Hebamme zu finden, die sich unter Haftungsausschluss bereiterklärte meine Geburt (gleich welche Kindslage) zu betreuen. Ich fand im ganzen Umkreis keine. Ich hatte nur davon gelesen, dass es in Süddeutschland Hebammen geben sollte, die dieses seltene Handwerk noch beherrschen.

Was mir blieb war eine intensive Recherche zum Thema "Lageanomalie-Beckenendlage/Steißlage" und zahlreiche Einladungen an mein Kleines sich zu drehen. Moxen, indische Brücke, Rollen im Wasser, Hypno-Sitzung mit der Hypnobirthingkursleiterin, Energetische Arbeit meines Körpertherapeuten, Entspannung, Zwiegespräche. Ich spürte den Willen meines Kindes und es fühlte sich gut an. Es darf so sein wie es ist, dachte ich mir. Von meinen großen Kindern habe ich gelernt zu vertrauen. Das Gras wächst nicht schneller wenn man daran zieht. Warum sollte ich nicht auch meinem ungeborenen Baby vertrauen? Es lag nicht falsch! Es lag nur in einer seltenen Geburtslage.

Ich las zum dritten Mal das Buch von "Die selbstbestimmte Geburt" (Gaskin), dann Hypnobirthing (Mongan) und Geburt und Stillen (Odent), allesamt Kraftbücher. Desweiteren las ich mich in weiterführende Fachliteratur ein und begann positive Geburtsberichte und Youtube-Videos von Beckenendlagengeburten zu suchen (siehe Rubrik Links). Je mehr ich darüber erfuhr, umso stärker wurde meine Intuition auch intellektuell untermauert. Es fühlte sich immer mehr "richtiger" an. Mein Mann gewann auch Vertrauen in diesen Prozess und willigte ein, die Geburt auch unassistiert zu Hause zu machen. Wir bestellten einen Geburtspool. Die Geburt im Wasser soll gerade bei Steißlage von Vorteil sein. Die Auftriebskraft des Wasser vermindert das Risiko eines Nabelschnurvorfalls und die Wahrscheinlickeit dass der Atemreflex ausgelöst wird, wird minimiert. Das größte Risiko besteht ja darin, dass der Rumpf geboren ist (also Bauchnabel ist zu sehen) und der Kopf steckt noch drin. Der Kopf sollte dann so schnell wie möglich geboren werden (die Zeitangaben schwanken zwischen 2-10 Minuten), damit die Nabelschnur nicht abgeklemmt wird und das Kind unterversorgt ist. Es ist möglich, dass das Kind zu atmen beginnt, weil die Haut Luftkontakt hat, bei ungeborenen Kopf kann aber Fruchtwasser in die Lunge geraten.

Leider ist die Beckenendlage eine Kontraindikation bei Wassergeburten. Aber nur weil, die Herztöne nicht konsequent überwacht werden können und ein schnelles Eingreifen seitens der Ärzte durch das Aussteigen aus der Wanne verlangsamt wird!

Ein weiteres interessantes Phänomen sind die unterschiedlichen Interventionsmöglichkeiten bei vaginalen Beckenendlagenentbindungen. Im deutschsprachigen Raum habe ich den Begriff "hands off" nicht in den Lehrbüchern für Hebammen gefunden, während es in der englischsprachigen Literatur ein stehender Begriff zu sein scheint. "Hands off" bedeutet Hände weg bei Steißgeburten: es wird vom Geburtshelfer keine Hilfestellung bei der Bein- oder Armausklappung geleistet. Auch der Kopf wird nicht durch ein Manöver gedreht. Die Gefahr bei diesen Eingriffen besteht darin, dass das Kind erschrickt und einen oder beide Arme nach oben reißt, wodurch der Kopf schlechter geboren werden kann.

Sechs Tage nach dem Geburtstermin hatte ich das Gefühl wieder "Laufen" zu wollen. Bei mir ein gutes Zeichen, dass die Wehentätigkeit voranschreitet. Der Bauch hatte sich noch nicht sichtlich gesenkt. Zehn Uhr vormittags rief ich meinen Mann an, dass es heute so weit sein könne und ob er von der Arbeit kommen kann. Als er da war bauten wir langsam den Pool auf, obwohl sich nichts mehr regte. Mittags um zwölf ging es dann wahrnehmbar los. Ich bat ihn Essen zu kochen und ich ging in Ruhe eine dreiviertel Stunde den Flur auf und ab. Veratmete nach Monganschen Art meine "Wellen" und sagte mir das Gaskinsche Mantra "ich bin unendlich weit" vor. Dann stieg ich in den Pool. Zuerst fand ich das etwas unangenehmer als zu laufen. Ich machte ein tiefes "Bähh" was soviel hieß wie: ich habe eigentlich jetzt keine Lust auf Schmerzen! Dann sagte ich mir, das ist das vielgepriesene Gefühl jetzt weglaufen zu wollen, also geht es nun los! Ich konzentrierte mich auf mein Mantra und das Atmen um Kontakt zum Stammhirn zu halten. Doch der Neokortex bahnte sich seinen Weg und ich fühlte mal nach, ob schon etwas zu spüren war, da ich den den Drang zu Pressen hatte. Ich fühlte noch nichts, war überhaupt schon etwas auf? vor 15 Minuten hatte ich gerade erst "gezeichnet". Dann erinnerte ich mich an einen Hebammenartikel in dem E-Book "Breechbirth" (siehe Link-Seite). Eine Hebamme berichtete von der Intuition der Frauen und dass man normalerweise bei BEL-Geburten die Frau vom Pressdrang abhält, solange der Muttermund noch nicht vollständig zehn Zentimeter eröffnet ist. Diese Hebamme hatte (als einzige mir Bekannte) aber die Erfahrung gemacht, dass der Intuition der Frau zu folgen ist, um Komplikationen zu vermeiden. Dann spürte ich Angst. War das überhaupt richtig was ich hier mache? Wie soll das jetzt dadurch passen? Und wenn alles doch länger dauert als die mir in Selsbthypnose suggerierte eine Stunde? Dann lieferte mir mein Neokortex noch eine wichtige Information: die Passage von Odent über die Notwendigkeit der Angst. Durch Angsinduktion wird eine Adrenalinausschüttung möglich, die den Fötus-Ausscheide-Reflex in Gang bringt. Also bewertete ich die Angst als positiv und folgerichtig und konnte mich wieder auf den Prozess einlassen und ins Vertrauen kommen.

Also blieb ich bei meinem Mantra und mein bat meinen Mann (der nun schon den Kindern das Essen ins Kinderzimmer gebracht hatte) mir das auch zu sagen. Er sagte "Du bist weit wie das Universum" Das tat so gut! Ich schickte ihn in die obere Etage noch einen Eimer warmes Wasser für den Pool holen, die erste Presswelle kam über mich und er kam mit einem viertel Eimer Wasser zurück, weil er mich gehört hatte. Ich fragte, ob er mich veralbern will, ich brauche warmes Wasser. Und er ging abermals weg. Die zweite Presswehe brachte schon den Po in Greifweite. Ich wechselte vom Vierfüßerstand in die Hocke (so hatte ich auch intuitiv meine anderen beiden Geburten vollbracht). Ich hielt meinen Damm zum Schutz und rieb etwas Dammöl darauf. Die dritte Presswehe beförderte den Po ein gutes Stück hinaus. Mit einer Hand hielt ich mich am Griff des Pools fest, die andere hatte ich am Babypo. Obwohl man ja eigentlich "Hands off" sagt, es war einfach intuitiv so. Ich spürte zu meiner Verwunderung keine Anzeichen für einen Jungen. Dann fingen die Kinder oben an zu rufen. Ich rief zu meinem Mann "Geh hoch! Das Kind kommt von allein!". Und so war es auch, als er das Zimmer verließ brachte die vierte Presswehe den Körper samt Kopf schussartig hervor. Ich hob das Baby gleich aus dem Wasser, es schrie sofort. Der Kopf war gleich rosig nur der Körper noch etwas bläulich. Mein Mann kam, sah das Kind, jubelte und rannte gleich wieder hoch die Kinder zu holen. Beide waren ganz berührt. Unsere fünfjährige Tochter sprach ganz leise und unser dreijähriger Sohn fragte gleich ob er das Baby streicheln kann. War das ein heiliger Moment!

Als ich nach ein paar Minuten aus dem Wasser stieg, riefen wir die Hebamme an. Sie kam innerhalb der nächsten halben Stunde. Die Nachgeburt kam nachdem ich eine Stunde nach der Geburt in die gleiche Hockstellung gegangen bin wieder ganz von allein und war vollständig. Nach sieben Tagen ist sie nach Lotusgeburtsart abgefallen.

Abschließend betrachtet war dieser Weg genau der richtige für UNS! Ich brauchte genau diese Ruhe um mich vollkommen auf den Prozess des Gebärens einzulassen. Selbst die punktuelle Anwesenheit meines Mannes war genau richtig dosiert. Unser "Geburtsvorbereitungskurs" war die intensive Auseinandersetzung mit allen Risiken die bei einer Beckenendlage charakteristisch sind und der bewusste Umgang mit den "normalen" Ängsten. Auch das Vertrauen in den natürlichen Prozess des Gebärens und den Körper der Frau. Diese Geburtslage galt vor der Medizinisierung des Gebärens als seltene- aber normale Geburtslage. Erst die Einführung der Geburt in Rückenlage brachte zahlreiche Komplikationen mit sich. Nun gut, es gibt auch noch eine schlechtere Geburtsposition, nämlich den Kopfstand.